Wie beurteilt man einen Wein
Einen Wein probiert man üblicherweise um seine Qualität zu beurteilen. Professionelle Weinkritiker, Sommeliers oder Verkoster tun das sogar hauptberuflich – doch Wein probieren und beurteilen kann jeder. Der Geschmack eines Weins wird subjektiv wahrgenommen, daher sollte man nicht das Gefühl haben beim Schmecken etwas falsch zu machen. Was dem einen gefällt, kann bei jemand anderen ganz anders ausfallen. Lediglich die Beschreibung des Tropfens und warum er einem eben schmeckt oder nicht, kann besser oder weniger treffend ausgeführt werden. Wie präzise der Konsument in der Lage ist den Wein zu beschreiben, basiert letzten Endes auf Erfahrung. Regelmäßiges Training der Sensorik führt dazu, dass Aromen und Geschmacksrichtungen konkreter festgestellt und benannt werden können. Ein weiterer wichtiger Grundsatz beim professionellen Weinprobieren ist das Spucken anstelle des Schluckens, damit das Urteilsvermögen nicht durch den einsetzenden Rausch getrübt wird. Die Verkostung eines Weins wird in die folgenden vier Teile gegliedert:
Aussehen
- Ob der Wein klar oder trüb ist kann Einblick über die Vinifizierung, Gärung, Filtrierung, Klärung und/oder Lagerung geben.
- Die Farbtiefe lässt Rückschlüsse auf den Extrakt und damit auf die Geschmacksintensität und die Qualität zu.
- Der Farbton gibt Hinweise auf das Alter des Weines: Je dunkler ein Weißwein und je bräunlicher ein Rotwein ist, desto älter ist er. Das bedeutet oft, dass die Primärfrucht in Geruch und Geschmack in den Hintergrund gerückt ist.
Geruch
- Ist der Duft klar und reintönig oder gibt es störende Komponenten?
- Ist der Duft eher kräftig oder kaum wahrnehmbar?
- Lassen sich bestimmte Aromen identifizieren? Ruft der Duft bestimmte Assoziationen hervor, etwa an Obst, Blumen, Gemüse, Gewürze, Holz, etc.?
- Ist das Duftspektrum vielfältig und spannend oder wenig aussagekräftig?
Alle diese Faktoren bestimmen, ob man den Geruch als angenehm oder weniger angenehm wahrnimmt. Es gibt Weine, welche ein sehr schwaches Bouquet bieten, wohingegen andere animierend und komplex duften. Um den Geruchseindruck zu verstärken, kann man das Glas in der freien Hand oder auf der Tischoberfläche kreisen lassen, um dem Wein Sauerstoff zuzuführen, der die Aromen aufschließt.
Geschmack und Textur
Um den Geschmack und das Mundgefühl des Weines wahrzunehmen, nimmt man einen Schluck und lässt ihn einige Sekunden durch den Mund wandern, bevor man ihn entweder herunterschluckt oder ausspuckt. Auch hier lassen sich die Aromen durch dezentes Luft schlürfen besser aufschließen, doch es reicht auch oft aus, den Wein mit der Zunge etwas hin und her zu bewegen. Eine professionelle Weinprobe läuft geräuschlos ab. Das Schlürfen oder Spucken sollte kaum zu hören sein. Eine hohe „Schlürf-Lautstärke“ ist keineswegs ein Indiz für einen hohen Wein-Sachverstand; eher umgekehrt. Ergründen lassen sich beim Schmecken folgende Fragen:
- Schmeckt der Wein intensiv und vielschichtig oder eher neutral?
- Hat der Wein eine wahrnehmbare Süße?
- Hat der Wein eine wahrnehmbare Säure? Wenn ja, ist sie harmonisch, erfrischend und anregend oder eher dominant, spitz und unangenehm?
- Besitzt der Wein Kohlensäure?
- Wie stark bemerkt man die Gerbstoffe (Tannine)? Eher grob oder fein? Sind sie geschmeidig, harmonisch und weich oder eher pelzig, trocken und bitter?
- Wie stark ist der Alkohol wahrnehmbar? Ist er gut eingebunden und stützt den Wein oder macht er sich wärmend oder gar scharf bemerkbar?
Wohlschmeckend und somit als positiv bewertet gilt ein Wein dann, wenn alle diese Faktoren in einem ausgewogenen Verhältnis zueinanderstehen und keiner unharmonisch hervorsticht.
Abgang
Der Abgang, Nachhall, die Länge oder auch das Echo eines Weines bezeichnet die Zeit, die der Wein im Mund nach dem Schlucken (oder Spucken) nachwirkt. Wie lange sind die Aromen und Geschmacksdimensionen wahrnehmbar und wie lange hält das Mundgefühl an? Der Abgang lässt sich in Sekunden messen und kann weniger als fünf (kurz), fünf bis zehn (mittel) oder über zehn, mitunter sogar zwanzig Sekunden oder mehr (lang) anhalten. Dabei gilt: Mit Länge des Abgangs und Nachhaltigkeit des Gaumeneindrucks steigt auch die Hochwertigkeit des Weines.
Die Beurteilung eines Weins
Die Beurteilung eines Weines ist in erster Linie subjektiv. Welche Nuancen man erkennt, welchen Geschmack man vermutet und ob es einem schmeckt oder eben nicht. Jedoch wäre es unmöglich auf viele der folgenden Fragen präzise antworten zu können, ohne über eine gewisse Erfahrung zu verfügen. Von Verkostung zu Verkostung wachsen die Kenntnisse und die Sensorik wird trainiert bis man letzten Endes in der Lage ist einen Wein systematisch und logisch zu beurteilen. Wichtig ist, zunächst alle Optionen offen zu halten bis man Aussehen, Geruch und Geschmack des Weins geduldig geprüft hat.
Farbe: Betrachten sie die Farbe am besten vor einem hellen Hintergrund; ist sie kräftig oder eher blass, hat sie eine deutliche Eigenschaft oder eine gewisse Schattierung, die auf eine bestimmte Herkunft oder Rebsorte hindeuten könnte? Besitzt der Tropfen eine eher leuchtend grelle Farbe oder ist er eher ins bräunliche laufend, was Hinweise auf das Alter geben könnte? Was lässt der Rand des Flüssigkeitsspiegels erkennen und bleibt die Farbe auch am Glas intensiv oder verblasst sie zu einem undeutlichen wässerigen Etwas?
Geruch: Riecht der Wein so jugendlich/reif wie er aussieht oder sticht einem direkt ein hoher Alkoholgehalt in die Nase? Erkennt man sofort eine dunkle oder helle Frucht oder ist das Bouquet eher flach und unscheinbar? Bestimmte Aromen sind Rebsortentypisch und Nuancen von Vanille und Sahne könnten evtl. auf einen Ausbau in neuer Eiche hindeuten? Wenn ja, in welchen Regionen ist eine Lagerung in Eiche typisch? Kann man eine gewisse Qualität schon am Duft erkennen oder benötigt man dafür noch eine weitere Prüfung im Mund?
Geschmack: Die Retronasale Aromawahrnehmung bereitet einen darauf vor, was man nun schmecken wird. Im besten Fall bestätigen sich die bereits vernommenen Aromen im Geschmack. Dennoch gilt es offen zu bleiben, denn alle menschlichen Organe sind fehlbar. Akzeptieren Sie sowohl Widersprüche als auch Bestätigungen. Stellen Sie sich erneut die Fragen, die Sie an ihre Nase gerichtet haben, nachdem Ihr Gaumen Auskunft über Süße, Säure und Alkoholgehalt gegeben hat. Bei Rotweinen kann der Tanningehalt sehr relevant sein, da dieser Auskunft über Maischestandzeit und Alter gibt. Ein junger Rotwein enthält zumeist so viel Tannin, dass es einem den Mund zusammenzieht, während Weine, die zum baldigen Konsum gedacht sind, wenig davon enthalten. Bei Schaumweinen empfiehlt sich die Perlenbildung genau zu inspizieren. Die Intensität und die Andauer, der Perlage bestimmen den Typ des Schaumweines und die Größe der Perlen, je kleiner desto besser, gibt Aufschluss über seine Qualität.
Das Verkosten von Wein basiert weniger auf Vermuten als auf Schlussfolgerungen. Daher sollte man sich nicht fürchten Fehler zu machen, da man aus genau diesen eben am besten lernt. Um die Glaubwürdigkeit als Verkoster nicht zu verlieren, sollten nicht allzu spezifische Aussagen über Herkunft oder die Lage getroffen werden. Eine Traube kann im selben Anbaugebiet zwei völlig unterschiedliche Weine hervorbringen. Auch ein und dieselbe Rebsorte, welche auf verschiedenen Kontinenten angebaut wird, kann oft stark unterschiedliche Charakteristiken aufweisen. Am Ende zählt, ob man das Eingeschenkte genießen kann. Wenn man dann noch in der Lage ist, den Wein zu beschreiben und mit seinen Freunden das erlebte zu teilen, steht einem bewussten Genuss nichts mehr im Wege.